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Anlässlich
eines Vortrags am 16.9.2011 in Emmersdorf, NÖ, interviewte
Betriebiclown Peppi
Götz Werner, den dm-Gründer und engagierten Kämpfer
für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Die
beiden Arbeitswelt-Experten sprachen über den veränderten
Arbeitsbegriff im Zeitalter der Globalisierung und der
„Fremdversorgung“. |
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BCP: Geht
uns tatsächlich die Arbeit aus bzw. könnte Arbeit
künftig etwas für jene Eliten werden, die früher lieber
andere für sich arbeiten ließen?
Götz Werner:
Die Arbeit geht uns nicht aus. Dort, wo Menschen sind, gibt es
Arbeit, sobald wir für andere tätig werden, ist es Arbeit.
Das Problem ist unser Arbeitsbegriff, denn wenn wir mit einem
veralteten Begriff operieren, können wir die Welt nicht zutreffend
begreifen.
Arbeit, wie wir sie gegenwärtig noch verstehen – als etwas,
was gut bezahlt wird – wird tatsächlich weniger. Sie wird
auch unerschwinglich, weil sie das Sozialwesen mitfinanziert,
während Maschinenarbeit nicht belastet wird. Hier muss ein
Umdenken einsetzen.
BCP: Warum die Bedingungslosigkeit beim Grundeinkommen? Warum müssen Menschen von der Arbeit befreit werden?
Götz Werner:
Ein bedingtes Grundeinkommen haben wir heute schon, wir lassen
schließlich niemanden verhungern. Doch die derzeitigen
Lösungen – ob AMS in Österreich oder HartzIV in
Deutschland – sind menschenunwürdig, sie stigmatisieren
Transferempfänger und grenzen sie aus.
Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen geht es aber nicht darum,
Menschen von Arbeit zu befreien, denn Menschen brauchen Arbeit um sich
entwickeln und um über sich selbst hinauswachsen zu können.
Es geht darum, jedem Bürger zu ermöglichen, dass er die
Arbeit ergreift, die seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten
entspricht. Wer die freie Wahl hat, gebraucht seine Fähigkeiten
und Talente anders und setzt Produktivität in Gang. Jeder kann
dann die Aufgaben ergreifen, die für ihn sinnvoll sind. Sinn hat
eine Aufgabe, wenn ich mich bei der Ausführung als authentisch
erlebe und wenn diese Arbeit wertgeschätzt wird. Dies, dass der
Leistungserbringer sowie dass der Leistungsempfänger einen Sinn
erkennen, sind die zwei Säulen, auf denen Arbeit beruht.
Die Idee ist: Jeder Mensch hat Anspruch auf ein Grundeinkommen, das ihm
einen Freiraum gewährt, um sich entsprechend seiner
Lebensintentionen zu entfalten und um zu zeigen, was er kann. Das
Grundeinkommen ist auch eine persönliche Herausforderung, denn
damit haben Sie keine Ausreden mehr. Sie können sich nicht mehr
darauf zurückziehen, dass Sie aus einer Abhängigkeit heraus
etwas nicht gemacht haben, was Sie schon immer machen wollten. Sie sind
ein freier Mensch, so wie früher im Mittelalter, wenn Sie
über ein Stück Land verfügt haben.
Heute, im Zeitalter der Globalisierung arbeiten wir für die ganze
Welt und die ganze Welt arbeitet für uns. Wir brauchen kein
Stück Land mehr zum Bewirtschaften, sondern ein Einkommen, von dem
wir bescheidenen aber menschenwürdig leben können, das uns
ermöglicht, die Leistungen anderer in Anspruch zu nehmen. Das ist
wie beim Monopoly: In jeder Runde erhält jeder Spieler, der
über Los zieht, 2.000 Euro. Probieren Sie einmal aus, diese Regel
aufzuheben – das Spiel wird nach sechs bis sieben Runden
nicht mehr funktionieren. Denn nur dieses Kapital ermöglicht jedem
Beteiligten, dass er weiter wirtschaften und arbeiten kann.
BCP: Der
Philosoph und Ökonom Frithjof Bergmann ist gegenüber der
Idee, dass man ohne eine Gegenleistung einfach Geld beziehen kann,
skeptisch. Er sieht das Problem darin, dass viele sich beispielsweise
Trunksucht, Glücksspiel etc. finanzieren würden. Wie sehen
Sie das?
Götz Werner: Darüber
haben Bergmann und ich diskutiert. Er hat sich ein Vorurteil gebildet,
aufgrund von Erfahrungen aus Indianerreservaten, die zeigen, dass
Indianer Transferleistungen beispielsweise für Alkohol ausgaben.
Aus dieser Erfahrung eine Erkenntnis für unsere Gemeinschaft zu
ziehen, ist aber nicht richtig. Denn die Indiander waren bis vor kurzem
eine Kultur von agrarisch orientierten Selbstversorgern. Als
Selbstversorger muss man nur so lange arbeiten, bis die eigenen
Bedürfnisse gestillt sind. Wenn Geld mit einem Hubschrauber der
Regierung kommt, hat das in einer Selbstversorgungswirtschaft zur
Folge, dass die Einzelnen nichts mehr tun. Außerdem wird es in
jeder Kultur und zu allen Zeiten Menschen geben, die aus
unterschiedlichen Gründen keinen Beitrag zum Fortschritt ihrer
Gemeinschaft leisten. Mit diesem Phänomen müssen wir leben
und das können wir auch verkraften.
BCP:
Finanzieren möchten Sie das Grundeinkommen ja über den
Konsum. Jeremy Rifkin, der eine ähnliche Prognose über die
künftige Arbeitswelt abgibt wie Sie, möchte dagegen die
Maschinen besteuern, die uns die Arbeit erleichtern bzw. wegnehmen. Wo
sehen Sie die Vor- und Nachteile dieser Modelle?
Götz Werner:
Im Prinzip ist es das Gleiche, weil in beiden Fällen keine
menschliche Arbeit mehr besteuert wird. Rifkin setzt schon früher
an, während wir das Endprodukt besteuern wollen, das zunehmend
maschinell hergestellt wird. Es kann nicht sein, dass wir
menschliche Arbeit immer mehr besteuern, während wir
Maschinenarbeit subventionieren. Bei der Konsumbesteuerung geht
es auch darum, dass ein Unternehmen, das eine Leistung für andere
erbringt, erst belastet wird, wenn sein Produkt oder seine
Dienstleistung konsumiert wird bzw. wenn es auf dem Markt gehandelt
wird. Wenn ich den Leistungsprozess schon vorher belaste, ist das
Knospenfrevel.
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